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Im Reich der Spiegel

Auf der Suche nach der japanischen Seele

Auch 150 Jahre nach dem sich Japan 1868 der Welt öffnete, spürt man trotz aller hektischen Geschäftigkeit, modernster Technologie und der Hektik der Mega-Metropole Tokio das ganz Eigene, das überlebt hat.

Regisseurin Bianca Charamsa hat sich während der Kirschblüte auf den Weg gemacht, um im Gespräch mit Künstlern den Eigenheiten Japans auf die Spur zu kommen. Unter ihren Gesprächspartnern waren neben der Schauspielerin Kaori Momoi, dem Stararchitekten Tadao Andō, der in Cannes ausgezeichneten Regisseurin Naomi Kawase auch Kulturschaffende wie der Künstler Takahiro Iwasaki, der Schriftsteller Keiichirō Hirano, ein Sōtō-Zenpriester und eine Teemeisterin. 

Obwohl zwei gewaltige atomare Katastrophen das Japan der Moderne prägen, die Bomben von Hiroshima und Nagasaki und der Super-GAU von Fukushima, sieht Künstler Takahiro Iwasaki die Erinnerung an den 6. und 9. August 1945 langsam verblassen. Auch Erdbeben erschüttern Japan immer wieder, vielleicht schließt deshalb auch die Wabi Sabi genannte  japanische  Ästhetik neben Schönheit immer den Verfall mit ein. So wie man beim traditionellen Hanami, dem Kirschblütenfest, der Schönheit beim Vergehen zuschaut.

Als ­Roland Barthes vor etwa 50 Jahren Japan bereist, hält er folgenden Eindruck in seinem Essay „Im Reich der Zeichen“ (1970) fest: „Im Westen ist der Spiegel ein in seinem Wesen narzisstischer Gegenstand: Der Mensch denkt den Spiegel allein als etwas, worin man sich selbst betrachtet. Im Osten dagegen scheint der Spiegel leer zu sein (…). Der Spiegel fasst nichts als andere Spiegel, und diese unendliche Spiegelung ist die Leere schlechthin.“ Als Theoretiker der Sprache und Zeichen beobachtet ­Barthes Oberflächenphänomene und zieht daraus Schlüsse über die Tiefenstruktur eines Landes, das ihn fasziniert. Eine seiner interessantesten Entdeckungen dabei: In Japan bleibt vieles in der Schwebe, es gibt oft keinen greifbaren Orientierungspunkt. Die Reflexionen im Spiegel verflüchtigen sich in eine geheimnisvolle Leere.

Bis heute scheint Japan rätselhaft, widersprüchlich und gerade deshalb faszinierend zu sein. Das Land im Fernen Osten schillert als Kaleidoskop kontrastvoller Klischees: Kirschblüten-Melancholie und fantastische Trickfilmwelten, Niedlichkeitsfetisch und Todesverachtung, Technik-Perfektionismus und atomare Verwüstung, fragile Schönheit, Geisterglaube, starre Höflichkeitsrituale und bunt-­lärmender Kitsch. Das Geheimnis der japanischen Seele enthüllen und begreifen – ist das überhaupt möglich? Vielleicht, wenn man kreativen und spirituellen Menschen in Japan begegnen darf, die ihr Herz öffnen und Einblicke in ihr eigenes Seelenleben gewähren. Für die Recherchen zur Dokumentation „Im Reich der Spiegel“ trafen wir etwa Schriftsteller ­Keiichiro ­Hirano, der schon mit 23 Jahren mit dem bedeutendsten Literaturpreis Japans ausgezeichnet wurde, dem Akutagawa-Preis.

Das rasende Tempo der Nachkriegsmodernisierung und der Boom der 1980er Jahre sind Vergangenheit. Nach dem Platzen der Wirtschaftsblase folgten 20 dürre Jahre, gerade sieht es so aus, als würde sich das Land wirtschaftlich erholen. Das Reaktorunglück von Fukushima 2011 hat die Psyche der Nation allerdings nachhaltig traumatisiert, sie hat sich vom Weltgeschehen zurückgezogen. „Die japanische Seele wird nur in Katastrophen oder Umwälzungen sichtbar“, davon ist der Künstler und Doku-Protagonist ­Takahiro ­Iwasaki überzeugt. Er selbst schöpft aus diesen Ereignissen ganz bewusst Kraft und Inspiration für seine Arbeit. Er stammt aus Hiroshima, sein Großvater war Opfer der Atombombe. Diese schreckliche Erfahrung prägt das Seelenleben der Japaner bis heute, so ­Iwasaki.

Autorin: Bianca Charamsa

Ein Film von Bianca Charamsa

Kamera: Grischa Schmitz
Montage: Marcel Ozan Riedel (BFS)
Ton und Drohne: Sven Klöpper
Musik: Tim Stanzel
Farbkorrektur: Knut Schmitz
Redaktion: Olaf Grunert
Produzentin: Antje Boehmert

Eine Produktion von DOCDAYS Productions in Koproduktion mit ZDF, in Zusammenarbeit mit ARTE, 3sat, ORF und der Masterclass Non-Fiction, ifs Köln

Länge: 52 min
Fertigstellung: 2018

Auch 150 Jahre nach dem sich Japan 1868 der Welt öffnete, spürt man trotz aller hektischen Geschäftigkeit, modernster Technologie und der Hektik der Mega-Metropole Tokio das ganz Eigene, das überlebt hat.

Regisseurin Bianca Charamsa hat sich während der Kirschblüte auf den Weg gemacht, um im Gespräch mit Künstlern den Eigenheiten Japans auf die Spur zu kommen. Unter ihren Gesprächspartnern waren neben der Schauspielerin Kaori Momoi, dem Stararchitekten Tadao Andō, der in Cannes ausgezeichneten Regisseurin Naomi Kawase auch Kulturschaffende wie der Künstler Takahiro Iwasaki, der Schriftsteller Keiichirō Hirano, ein Sōtō-Zenpriester und eine Teemeisterin. 

Obwohl zwei gewaltige atomare Katastrophen das Japan der Moderne prägen, die Bomben von Hiroshima und Nagasaki und der Super-GAU von Fukushima, sieht Künstler Takahiro Iwasaki die Erinnerung an den 6. und 9. August 1945 langsam verblassen. Auch Erdbeben erschüttern Japan immer wieder, vielleicht schließt deshalb auch die Wabi Sabi genannte  japanische  Ästhetik neben Schönheit immer den Verfall mit ein. So wie man beim traditionellen Hanami, dem Kirschblütenfest, der Schönheit beim Vergehen zuschaut.

 

Ein Film von Bianca Charamsa

Kamera: Grischa Schmitz
Montage: Marcel Ozan Riedel (BFS)
Ton und Drohne: Sven Klöpper
Musik: Tim Stanzel
Farbkorrektur: Knut Schmitz
Redaktion: Olaf Grunert
Produzentin: Antje Boehmert

Eine Produktion von DOCDAYS Productions in Koproduktion mit ZDF, in Zusammenarbeit mit ARTE, 3sat, ORF und der Masterclass Non-Fiction, ifs Köln

Länge: 52 min
Fertigstellung: 2018